Die Solothurner Handelsbank

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Auch das Innenleben eines Hauses kommt in Bewegung, wenn es von einem einschneidenden Ereignis erschüttert wird. Dieses Ereignis traf die Solothurner Handelsbank 1994, als sie von der UBS übernommen wurde.

85 Jahre lang hatte sie zuvor wie eine städtische Trutzburg der grossen regionalen Industriebetriebe am Kopf der Wengibrücke gethront. Als zu Beginn der Neunzigerjahre die Spar- und Leihkasse Thun zusammenbrach, war dies der Auftakt zu einer Bankenkrise, die die Hälfte der schweizerischen Regionalbanken von der Landkarte tilgte. Parallel zum Niedergang der Industrie zeichnete sich in diesen Jahren auch bei der Handelsbank ab, dass sie bald von der Substanz hätte zehren müssen, um sich über Wasser zu halten.

Das ursprüngliche Gebäude, so wie es 1909 erbaut wurde.

Nach dem abrupten Ende war das leer stehende Gebäude jahrelang ein stummer Zeuge der Krise. Vor der Jahrtausendwende tat sich nichts, weil Lokalmatadoren unter dem damaligen Solothurner Tourismus-Direktor Erich Egli Pläne für ein Spiel-Casino in der Handelsbank schmiedeten. Wie fast jeder grössere Flecken hatte sich auch die Ambassadorenstadt um eine der begehrten Konzessionen beworben – ging aber 2001 wie erwartet leer aus.

Jetzt verkaufte die UBS den Bau an den Bellacher Unternehmer Christoph Ruprecht (Lanco), der zunächst eine Integration in die Seminarmeile prüfte, die damals erst ein Projekt war. Nachdem er die Idee verworfen hatte, beauftragte er ein Planungsbüro mit einem Gesamtkonzept. Schliesslich wolle er an der exponierten Lage „etwas Gescheites machen“, wie er damals der „Solothurner Zeitung“ sagte.

Blick in Richtung Altes Spital.

Konzepte sind das eine, die Umsetzung das andere. Mangels grosser Investoren begann die Wiedergeburt der Handelsbank mit Provisorien. 2002 nutzte das damalige Sportgeschäft Marbach die leeren Räume vorerst für einen Outlet-Verkauf. Gleichzeitig hiess es, der damals führende Partyveranstalter „2nd friday“ werde im Erdgeschoss einen neuen Club aufziehen oder vielmehr sogar ein „Kulturzentrum“ unter dem Namen „in the bank“. Auch daraus wurde nichts.

Statt des „2nd“ nistete sich im Erdgeschoss eine Billard-Bar ein. In den oberen Geschossen wechselten die ersten ehemaligen Bankbüros als neue Eigentumswohnungen die Hand und eine Dienstleistungsfirma zog ein. In einer turbulenten ersten Umbauphase wurde reichlich improvisiert.

Der einstige Tresor, in dem zwischenzeitlich gepokert wurde, ist heute ein Keller.

2004, zehn Jahre nach dem Ende der Handelsbank, lenkte ein weiteres einschneidendes Ereignis das Schicksal des Hauses in neue Bahnen. In der Nacht auf den 10. Juni 2004 brach wegen eines defekten Stromkabels ein verheerender Brand aus. Die beiden Bewohner der Dachwohnung entkamen dem Feuer nur knapp. Eine Person musste wegen schwerer Verbrennungen mit dem Rettungshubschrauber nach Bern geflogen werden, eine andere wurde im Bürgerspital behandelt. Zuvor hatten sich vor dem Restaurant Storchen dramatische Szenen abgespielt. Selbst die Tänzerinnen des damaligen Striptease-Lokals beteiligten sich mit Champagnerkübeln an der Kühlung der Verletzten. Der Feuerwehr war es mit einem Grosseinsatz gelungen, ein Übergreifen der Flammen auf weitere Altstadthäuser zu verhindern. Wenig hatte dazu gefehlt. So blieb es bei einem Schaden, den die Gebäudeversicherung auf rund drei Mio. Franken bezifferte. Die Handelsbank wurde mit einem Notdach versehen und wieder aufgebaut. Die beiden damaligen Brandopfer sind heute ein Ehepaar und leben wieder in der selben Wohnung.

Die Wohnung im 2. Stock auf der Südseite.

Weil Solothurn zu dieser Zeit Schauplatz eines Territorialkampfes zwischen einem aargauischen und bernischen Zeitungsverlag war, gehörte für kurze Zeit auch das von den Bernern lancierte „Solothurner Tagblatt“ zu den Mietern der Handelsbank. Allerdings nur für ein Jahr und zum Mietzins von einem Franken für die Mitbenützung eines Kellers. Die Stadt hatte der Zeitung zuvor untersagt, am Baugerüst ein Werbeplakat für ihre „brandaktuelle“ Berichterstattung zu platzieren, weil dies nur Eigentümern und Mietern gestattet sei. Schliesslich prangte die Werbeinschrift doch an der Südfassade des Hauses, vor der sich zu dieser Zeit noch jeden Tag 10’000 Autos über die Wengibrücke quälten. Nicht alle fanden den Auftritt pietätvoll.

Der Brand vom 10. Juni 2004

So zerstörerisch der Brand gewesen war, der Wiederaufbau der Handelsbank führte zu einer weiteren Aufwertung des Hauses. Es erhielt ein neues Dach mit Turm. Die Wohnungen in den oberen Stockwerken wurden mit Balkonen ausgestattet. Der Dachgestaltung waren lange Diskussionen zwischen Planern, Denkmalpflegern und allen möglichen Kommissionen vorausgegangen. Das Resultat war entsprechend und sorgte nach der „Enthüllung“ noch einmal für Diskussionen in der Stadt.

Das Solothurner Tagblatt wirbt an der alten Handelsbank in Solothurn. © Isabel Mäder

Während sich in den kommenden Jahren die Verhältnisse im oberen Teil des Hauses mit den umgebauten Wohnungen der Stockwerkeigentümer stabilisierten, blieb es im Erdgeschoss und im Keller turbulent. Als erste sorgte die „Flieger-Bar“ für Schlagzeilen, die Freunden des Pokerspiels im ehemaligen Banktresor die passende Ambiance bot. In der Folge gaben diverse Bars unterschiedlichen Rufs ihre Gastspiele als Untermieter der ebenfalls nicht besonders renommierten Billard-Bar. Mittlerweile wird ein Teil des Kellers noch von einer heimatlosen Musikschule belegt. Aber der grösste Teil der einstigen Bank-Katakomben wird inzwischen als Atelier und Keller genutzt – als Keller mit den vermutlich schwersten Türen der Stadt. Wer hier den Kellerschlüssel verliert, braucht einen Schweissbrenner, um wieder an seinen Wein zu kommen.

Ein Teil des Kellers dient als Malatelier. Die denkmalgeschützte Römermauer im Hintergrund ist Zeuge der langen Vergangenheit des Baugrundes.

Die Tresortüren und Schliessfachschränke sind inzwischen fast die einzigen offensichtlichen Überreste der Bank. Doch so leicht lässt sich der alte Geist nicht in den Untergrund vertreiben. In den dicken Mauern sorgen die alten Leitungen der einstigen Rohrpost gelegentlich für die merkwürdigsten akustischen Phänomene.

Die Dachterrasse im 3. Stock.

 

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